Nachbarrecht: Letzter Ausweg nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis!
Wenn im Nachbarrecht nichts mehr geht, kann immer noch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis helfen. Das Landgericht Dresden hat in einem Urteil vom 07.02.2020 (3 S 402/18) gezeigt, wie es gehen kann.
Sachverhalt:
In steiler Hanglage nahe der Elbe war das Grundstück der Klägerin „von oben“ durch eine Zuwegung offiziell erschlossen. Allerdings nützte der Klägerin die Zuwegung „von oben“ wenig, weil sie ihr Haus „von oben“ nicht mit einem Fahrzeug erreichen konnte. Das Haus lag im unteren Teil des Grundstücks.
„Von unten“ war das Haus zwar über ein Nachbargrundstück mit dem Auto erreichbar. Aber für ein Befahren des Nachbargrundstücks fehlte der Klägerin ein Recht. Weder war der Weg für den Fahrzeugverkehr öffentlich gewidmet noch konnte sich die Klägerin auf ein Wegerecht in Form einer Dienstbarkeit oder einer Baulast berufen.
Es kam, wie es kommen musste: Die Beteiligten verstritten sich und der Nachbar verstellte der Klägerin mit seinem PKW die Zufahrt.
Urteil:
Mit ihrer einstweiligen Verfügung hatte die Klägerin Erfolg. Sie darf mit einem Wagen der Kompaktklasse das Nachbargrundstück befahren.
Interessant ist die Urteilsbegründung. Das Gericht der Klägerin über die Rechtsfigur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses geholfen.
Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ist ein fester Bestandteil im Nachbarrecht. Es geht um die Pflicht, auf seinen Nachbarn und dessen Belange Rücksicht zu nehmen. Das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme ist Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben.
Die Rechtsprechung greift immer wieder auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis zurück, wenn mit den bestehenden Regelungen kein akzeptables Ergebnis gefunden wird. Es findet eine Art Ergebniskorrektur statt.
Praxistipp:
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein Grundstückseigentümer bei mehreren Möglichkeiten zur Nutzung seines Grundstücks diejenige wählen muss, die seinen Nachbarn am wenigsten beeinträchtigt. Ob das gute Recht des Eigentümers, sein Grundstück nach seinem Ermessen auszunutzen, ausnahmsweise mit Rücksicht auf die sonst den Nachbarn treffenden schweren Nachteilen beschränkt werden muss, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Bei der Entscheidung des LG Dresden mag eine Rolle gespielt haben, dass die Klägerin schwer krank war.
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